Ist ein zertifizierter Coach besser als einer ohne Zertifizierung?
- 10. März 2024
- 4 Min. Lesezeit
Guten Morgen und erstmal einen wunderschönen Start in den Sonntag!
Mich hat die Frage erreicht, warum ich kein zertifizierter Coach bin und ob das an der Qualität der Arbeit hängt?
Die Frage möchte ich für alle Lesefaulen oder Ungeduldigen direkt und knapp beantworten: nein.
Eine Zertifizierung ist eine Prüfung, welche man bei bestimmten Coaching Verbänden oder Ausbildungsinstituten machen kann. Diese ist jedoch an gewisse Voraussetzungen geknüpft, mal das Wissen und Können zum Bestehen der Prüfung außer Acht gelassen (Kompetenz setze ich einfach mal voraus). Ich stelle euch nun mal beispielhaft drei Institutionen vor, bei denen man ein Zertifikat erreichen kann und was dafür erfüllt sein muss, ihr werdet merken, es gilt einige Hürden zu nehmen.
Dr. Migge Institut: [www.drmigge.de]
Mindestens 29 Seminartage
Eine Klausur oder Abschluss einer Ausbildung inklusive Abschlussklausur
Mindestens sechs supervidierte Coachingfälle (begleitete Fälle durch einen DGSV Supervisor)
Beisitz in einer praktischen Prüfung
Praktische Prüfung
Kosten für ein 5-Tage-Seminar inklusive Übernachtung und Vollpension liegen bei grob 1000€, 3-Tage-Seminare kosten ungefähr 600€
DGSv (Deutsche Gesellschaft für Supervision und Coaching): [www.dgsv.de]
Antragsstellung mindestens ein Jahr vor der angestrebten Prüfung
Fachgespräch / Prüfung mit anschließendem Gutachten durch den Vorstand
bei Gutachten ohne Einschränkungen erfolgt ein Vertrag der die Nutzung des Titels "DGSv zertifiziert" erlaubt, dieser läuft vier Jahre und ist an eine Mitgliedschaft im DGSv gebunden.
Immer nach Ablauf der vier Jahre ist eine erneute Prüfung nötig
Die Ordentliche Mitgliedschaft ist Voraussetzung für den Titel, hierbei sind die Kosten nicht unerheblich: 330€ Jahresbeitrag und 200€ Aufnahmegebühr
DCV (Deutscher Coaching Verband): [www.coahcingverband.org]
Ein Nachweis über eine Ausbildung an einem anerkannten Ausbildungsinstitut
Mindestens fünf Jahre Berufserfahrung bei Studienabschluss bzw. mindestens acht Jahre bei einer Berufsausbildung
Ein erfolgreiches Gespräch mit zwei Mitgliedern unserer Zertifizierungskommission
Gegebenenfalls eine Lehrprobe
Eine aktuelle Mitgliedschaft im DCV
Der Jahresbeitrag für ordentliche Mitglieder beträgt 600,00 €.
Die einmalige Zertifizierungsgebühr beträgt für Coaches: 500,00 € Seniorcoaches: 800,00 € Lehrcoaches: 1.000,00 €
Die Gebühr für Ausbildungsinstitute beträgt
Inklusive der Zertifizierung einer Ausbildung: 2.000,00 €
Jede weitere Ausbildun: 800,00 €. (*)
Wir reden hier also im Prinzip nur über Zeit und Geld.
Zeitlich gesehen kann ein Coach in den ersten Jahren seiner Ausbildung ODER Selbstständigkeit noch keine Zertifizierung erhalten, da er Voraussetzungen der Berufserfahrung nicht nachweisen kann. Für die Berufserfahrung ist es jedoch zwingend notwendig, Klienten zu haben. Hier kommen wir nun zu einem Problem: wenn nur zertifizierten Coachs Kompetenz zugesprochen wird, der Titel jedoch erst nach jahrelanger Erfahrung möglich ist, sind Coachs darauf angewiesen auch ohne Zertifizierung ernst und wahrgenommen zu werden. Ich würde also empfehlen, jedem Coach eine Chance zu geben. Achtet auf die Kompetenz die er euch beim Kennenlernen entgegen bringt.
Ein weiteres Ding mit der Zeit sind natürlich die Seminartage. Viele Seminare finden nur zweimal im Jahr statt. Dafür muss man sich oft schon ein Jahr zuvor anmelden - und hoffen, dass nichts dazwischen kommt. Die meisten Coachs starten nebenberuflich, was die Teilnahme an Seminaren noch erschwert, da man Urlaub dafür nehmen muss. Viele Seminare finden am Wochenende statt, auch in ganz Deutschland, jedoch mit sehr intensiven Zeiten so dass man den Freitag als vollwertigen Tag nutzen kann. Das ist sehr vorteilhaft für die Weiterbildung, jedoch nachteilig für die Urlaubstage. Wer Kinder hat und Ferientage überbrücken muss steht also immer vor dem Problem, wie er seine Kinder betreut oder wo er die Tage herbekommen soll. Das ist natürlich ein Problem, was jeden trifft - möchte man sich jedoch weiterbilden und benötigt dafür Urlaub, wird das noch verschärft.
Der nächste Punkt in der Zeit ist die Supervision von Klientenfällen. Hierfür muss ein Coach erstmal Klienten haben und dies auch in so einem vertrauten Verhältnis zueinander, dass eine externe Betrachtung und Begleitung durch einen Supervisor vom Klienten geduldet wird. Das Vertrauen benötigt Zeit und einige an Terminen, und dann die sechs begleiteten Termine. Hier sprechen wir also auch von einigen Monaten.
Tja, der andere große Punkt: das Geld. Wer sich die Zahlen oben anschaut kann sich selbst ausrechnen, wie teuer eine Ausbildung ist.
Ein Fernstudium kostet rund 2.500€ - 3.500€, Kosten nach oben sind natürlich immer möglich und dauert zwischen 12-36 Monaten.
Dazu kommen Praxisseminare. Wenn wir nun Dr.Migge Seminare mit durchschnittlich 200€ am Tag nehmen, davon sind aber 29 für eine Prüfung Voraussetzung, kommen wir auf 5.800€ NUR für die Voraussetzungen der Tage.
Hinzu kommen die Jahres- und Prüfungsbeiträge der Verbände.
Eine Zertifizierung kostet einen Coach demnach zusammengefasst MINDESTENS:
ungefähr 36 Monate Ausbildung in "quasi Vollzeit" (Studium ohne Verzögerung der Prüfungen; plus Seminartage, wenn sie alle hintereinander an den Wochenenden stattfinden)
mindestens 12 Monate Antragsstellung oder Supervision
rund 8.000€
Fazit:
Ja, ein zertifizierter Coach kann schon so einiges nachweisen, gar keine Frage. Aber auch ein Coach ohne Zertifizierung kann viele nachvollziehbare Gründe haben, wieso dieser keine Zertifizierung als Titel trägt. Dies muss absolut nichts mit der Fachkompetenz zu tun haben.
Ich hoffe, die Frage nach der Kompetenz ist hiermit geklärt =)
Gerne greife ich auch weiterhin Fragen von euch auf, meistens hat nicht nur eine Person diese im Kopf.
Ich wünsche euch allen einen schönen Sonntag!
Eure Elisa
Liebe Elisa,
danke für deinen Beitrag. Du hast das sehr ausführlich und wirklich sehr gut beschrieben. Es ist für viele Menschen schwierig in dem Coachingmeer, Therapeutenwald und Optimierungsjungle den passenden Wegbegleiter zu finden.
Wie gut ein Coaching verläuft, hängt vor allem von der Passung zwischen dem Rat Suchenden und dem Unterstützer ab.
Deine Grundhaltung ist aus deinem Konzept zu lesen und das liest sich fachlich und persönlich sehr gut. Ich wünsche dir weiter viel Erfolg und Freude an deinem Tun.
Liebe Grüße Melanie